
Meine lieben Lesenden,
Vorab, das hier ist keine sachliche Berichterstattung. Das waren meine Blogs nie und das werden sie nie sein. Dieser Text ist meine persönliche Meinung, das was ich weiss (oder zu wissen glaube) und mein Empfinden. Niemand muss die gut finden, jeder soll sich selbst eine eigene Meinung bilden.
Ich bin sauer, richtig sauer. Dieses Gefühl trägt dieser Text in sich. Wer lieber etwas von den schönen Seiten des Berufes lesen möchte, und wieviel einem dieser Beruf gibt (tut er): Mach den Blog wieder zu, das ist nichts für dich.
Wer eher auf “sachlich” steht, dem empfehle ich die Medienmitteilung des SBK Schweiz: “Pflegende tragen die Konsequenzen der Unterfinanzierung: Investitionen sind dringend nötig.”
Da das nun geklärt ist, gehen wir rein…
“Umsetzung der Pflegeinitiative dürfte für Prämienhammer sorgen” titeln am 18.10.25 mehrere Zeitungen (z.B. Luzerner Zeitung, Aargauer Tagblatt, Bieler Tagblatt.)
Alleine dieser Titel löst viel im mir aus. Es fühlt sich an, als hätte man jeder Pflegenden einzeln vor die Füsse gekotzt. Respektloser geht es nicht mehr!
Die Zahlen stammen aus Schätzungen der Kostenfolgen, die das Bundesamt für Gesundheit (BAG) während eines «runden Tisches” zusammen getragen hat. Sie werden jetzt, vor der eigentlichen Debatte zur Umsetzung der Pflegeinitiative benutzt, um ein bestimmtes Narrativ aufzubauen. Nämlich, dass die Pflegeinitiative “zu teuer” sei, die Schweiz sich das gar nicht leisten kann. Und ich höre da schon heraus:
“Sorry, für euch wollen wir kein Geld ausgeben. Ihr hättet zwar faire Arbeitsbedingungen verdient und euch die auch erstritten. Aber kostet halt, macht jetzt einfach weiter wie bisher”
Hat sich eigentlich irgendjemand schon mal Gedanken gemacht, was “so weiter machen wie bisher”, wirklich bedeutet? (Ich bin übrigens nicht die Erste die diese Frage öffentlich stellt, Christina Schumacher (SBK Schweiz), hat dies bereits auf Linkedin gemacht). Bis in fünf Jahren (!) fehlen in der Schweiz über 30 000 Pflegefachpersonen. Spätestens dann gibt es kein “wie bisher” mehr. Mit einem solchen Fachkräftemangel werden Menschen sterben, Menschen leiden. Bereits jetzt häufen sich Berichte von überlaufenden Notfällen, langen Wartezeiten, wieder nach Hause geschickt werden, mit Schmerzen, Angst etc. allein gelassen werden, Angehörigen, die keine Körperpflege erhalten, in verschmutzten Betten liegen etc. Warum wohl? Nicht weil Pflegende grundsätzlich ihren Job hassen und ihn deshalb auch nicht richtig machen. Nein, weil sie es nicht können! Der Film “Heldin” von Petra Volpe zeigt dieses Dilemma auf eindrückliche Weise. Es können jetzt alle Verantwortlichen und auch die Bevölkerung die nächsten Jahre noch die Augen davor verschliessen, wegsehen, es sich schön reden, noch ein paar Motivationssprüche à la, “aber der Beruf ist so Sinnstiftend” droppen. Es wird der Punkt kommen, an dem triagiert werden muss, im Sinne von “wer hat die besten Chancen zu überleben, die werden behandelt, die anderen: Sorry! ” Wenn es dann soweit ist, will ich von keinem hören, es hätte ja niemand etwas gesagt. Oder in Politik- Sprache: “Das ist alles so überraschend gekommen.”
Im Artikel wird erwähnt, dass es nicht unbedingt sein muss, dass die Kosten des Pakets 2 der Pflegeinitiative via Krankenkassenprämien bezahlt werden müssen. (Da fragt man sich dann, warum man das dann als Schlagzeile benutzt, aber was weiss ich schon, ich bin hier nur die Pflegehexe). Meines Wissens steht das auch nicht so im Verfassungstext. Wisst ihr, für die Armee wurden schon mehrmals grosse Summen gesprochen, Banken wurden mit Milliarden gerettet, aber für die Pflege und das Gesundheitswesen ist nie etwas möglich. Ich dachte, nach der Pandemie hätten alle kapiert, dass auch unser Gesundheitswesen to big to fail ist. Offensichtlich liege ich da falsch. Man will es wirklich darauf ankommen lassen. Und das macht mich fassungslos.
2021 habe ich mit vielen anderen Kolleginnen bis Kollegen für die Pflegeinitiative gekämpft. Es war so wichtig, dass es die Pflegeinitiative ist, weil da eben auch unsere Arbeitsbedingungen mit einbezogen sind. Jetzt sieht es so aus, als ob uns dieser Erfolg genommen werden soll. Krass, wenn man bedenkt, dass dies ein Verstoss gegen unsere Verfassung wäre.
Eines möchte ich hier klar sagen: Ich werde auch ein zweites Mal für die Pflegeinitiative und damit für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen. Wer das ebenso sieht, ist am 22. November mit mir zusammen auf dem Bundesplatz.
See you there!
Eure Pflegehexe
Patricia Tschannen
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