«Mir ist so übel», jammert Ila. «Das ist nur die Aufregung», beruhigt Lasar. In wenigen Minuten wird Wolfblood im Rahmen des Yulfestes auf der Bühne stehen. Es ist Ilas erster Auftritt als Sängerin. Die Waldlichtung füllt sich langsam aber stetig mit Mitgliedern der Black Wolves. Und je mehr magische Wesen sich einfinden, desto nervöser wird Ila, welche das Treiben hinter der Bühne beobachtet. «Warum habe ich mich bloß darauf eingelassen?», stöhnt sie leise. Sie hat sich dagegen gewehrt. Stundenlang hat sie mit den Magiern von Wolfblood diskutiert. Sie alle sind der Meinung, dass es gar nicht anders geht, als dass Ila ihre Lieder einem Publikum vorträgt. Immer hat sie dagegen argumentiert. Klar, die Proben im Keller haben ihr unglaublich viel Spaß gemacht. Beinahe mehr als die Aufnahmen im Studio. Doch sich vor so vielen magischen Wesen zu zeigen, ist noch einmal eine ganz andere Qualität. Was, wenn sie die vielen Emotionen nicht aushält? Auch wenn sie sich inzwischen recht gut zentrieren kann und sie längst nicht mehr so durchlässig ist wie früher, schätzt sie das Risiko als zu hoch ein. Allerdings steht sie jetzt hier. Wie konnte sie sich nur darauf einlassen? Cael drängt sich an ihren Rücken umschlingt ihre Taille. «Weil ich die besseren Argumente hatte», raunt er ihr ins Ohr und beißt sie sanft in den Nacken. Schauer jagen durch ihren Körper und erinnern sie an Caels Überzeugungsarbeit. «Mistkerl!», zischt sie. Natürlich ist sie jetzt nicht einfach nur nervös, sondern auch noch voller Begehren nach ihm. Er lacht leise in ihrem Geist, zieht sie dann aber noch dichter an sich. Die Wärme seines Körpers beruhigt Ila. «Du kannst das, ich weiß es», ermutigt er sie. «Was, wenn mich die Emotionen überfluten?», zweifelt sie. Sie trägt ja nicht einmal schützendes Schwarz, sondern ein, zugegeben wunderschönes, weißes langes Kleid mit Spitzenärmeln. «Das wird nicht passieren. Du wirst das tun, was du gelernt hast. Du bist eine äußerst talentierte Hexe und du kannst das. Entspann dich, Ila. Sieh dir die Leute an. Alle sind voller Frieden und Freude. Sie wollen mit uns zusammen die Geburt des Lichtes feiern. Und außerdem: Du bist mit Ella durch ihre Hölle gegangen und das mehr als einmal. Was sollen dir so ein paar Emotionen noch anhaben?» Cael hat recht. So stark Ella auch ist, manchmal überkommen sie die Erinnerungen oder die Albträume. Dann ist es Ila, die da ist, die die junge Hexe in ihrem Geist hält und verhindert, dass sie sich verliert. Ila lässt ihren Blick über das Festgelände schweifen. Während die Dark Crow Yule an diversen Partys in der Stadt feiern, versammeln sich die Black Wolves alle auf dieser Waldlichtung. Mehrere Feuer erleuchten den Platz und spenden ausreichend Wärme. An einigen wird Fleisch gebraten oder Eintopf gekocht. Der Duft von Schlangenbrot erfüllt die Luft. Zusammen mit Ella, ihren Cousins und weiteren von Caels Kriegern hat Ila an einem der Feuer gegessen. Die Stimmung ist fröhlich und ausgelassen. Die Leute um sie herum sind alle sehr freundlich zu ihr. Keiner behandelt sie, wie die Schwester des größten Feindes. «Weil du für sie alle sehr viel mehr bist. Du hast Ella nicht nur gerettet, sondern auch geheilt. Björn und Kyle verehren dich deswegen geradezu», erklärt Cael. Diese «Verehrung» ist Ila beinahe unheimlich. «Ich habe nur getan, was mein Instinkt ist», meint sie. «Du weißt, dass es mehr war. Es ist Zeit, dass du dich zeigst.» Ila kann nicht mehr fragen, was er meint, denn Lasar, der Bandleader und Bassist steht vor ihr. Lächelnd streckt er ihr die Hand hin. «Darf ich dich auf die Bühne entführen?» Cael stößt sie sanft in seine Richtung. «Genieß es.» Damit weist Cael sie auf ein Gespräch hin, welches sie gestern mit ihm und Lasar geführt hat. Auch Lasar hat eine gewisse Art von Empathie. Um auf der Bühne bestehen zu können, schafft er sich dort mit Hilfe seiner Magie einen eigenen Raum. «Wenn dir das gelingt, kannst du dem Publikum alles geben, ohne dich selbst zu verlieren. Dann tust du einfach das, was du liebst», hat Lasar ihr erklärt. Ila hat genau verstanden, was er gemeint hat. Deshalb ruft sie sich nun ihre erste Probe im Bandkeller in Erinnerung. Diese Gefühle in sich festhaltend betritt sie mit Lasar die Bühne. Schon stimmt Safi an der Gitarre den ersten Song an. Luke gibt auf den Drums alles. Sie tun, was sie lieben. Und Ila liebt es auch. «Ja, ich genieße es», lässt sie Cael noch wissen, bevor sie sich selbst einfach loslässt und singt. Das Publikum trägt sie, ebenso wie die Musik und die Songtexte. Ganz vorne in der Menge entdeckt Ila schon bald die Ella. Sie ist noch blass, aber sie tanzt zur Musik. Ihre Cousins sind bei ihr und einige ihrer Freundinnen. Sie fest im Blick singt Ila den Song für die geschundene Seele. Es ist ein langsames Lied, das nur durch Lasars Bass begleitet wird. Ilas Stimme wandelt sich, wird klar wie Glas und ebenso zerbrechlich. Alle Black Wolves scheinen die Luft anzuhalten, es ist ganz still auf dem Festgelände. Auch als die letzten Töne verklingen, bleibt es noch einige Sekunden so. Bis tosender Jubel ausbricht. Glücklich sucht Ila Caels Blick. Der sie, am Bühnenrand stehend, ebenso fixiert. Auch er klatscht begeistert mit. «Ellas Song?», fragt er leise in ihrem Geist. Sie und Cael haben nicht anders gekonnt, und das Heilslied, welches Ila für Ella gesungen hat, zu einem Song gemacht. Zu einem sehr persönlichen Song. Ila blickt über die Menge und beschließt: sie will ihnen diesen Song schenken. «Das hier ist Ellas Song. Heute ist er für euch alle.»
Nach dieser Ansage von Ila ist es wieder ganz still. Ila sucht Ella, die mit geschlossenen Augen einfach da steht, ihre Cousins an den Händen haltend. Auf der Bühne wird es dunkel. Cael hat sich ans Keyboard gestellt. Ila legt den Kopf in den Nacken und singt. Sie singt vom Licht, der Kraft und der Magie. Sie singt von dem Teil in jedem Menschen, der unzerstörbar ist. Und der Zauber geschieht, auch hier. Um Ila herum beginnt es hell zu leuchten und zu schimmern. Ila singt und singt, bis sich dieses Licht über alle hier versammelten Menschen ausgebreitet hat. Sie kann es. Sie kann es tun, weil Cael da ist, sie hält, ihr Boden ist. Und dann ist es vorbei. Ergriffen von der Magie blicken alle auf die schlanke schwarzhaarige Hexe auf der Bühne. Doch sie selbst hat nur Augen für einen. Cael. Der jetzt gerade auf sie zukommt, sie in die Arme zieht und küsst. So, wie er es noch nie getan hat. Voller Liebe. Nachdem sie den Kuss beendet haben, schnappt sich Cael das Mikrofon. «Und jetzt, Freunde, feiert mit uns das Leben und die Geburt des Lichts. Seid gesegnet in dieser Nacht von Yule.» Dann fasst er Ilas Hand und verlässt mit ihr die Bühne, die von einer weiteren Band übernommen wird. Die Nacht, in der das Licht wieder in die Welt kommt, wird lang für Ila. Doch sie genießt jede Sekunde. Alles ist gut, sie ist da, wo sie sein soll.
Der Rosengarten bietet einen gigantischen Blick über die Stadt. Auch Fay würde normalerweise jetzt irgendwo da unten an einer der vielen Partys das Licht feiern. Doch dieses Jahr will sie nicht. Sie will ihre Ruhe. Deshalb hat Fay sich hier hin zurückgezogen, einen Sichtschutz erschaffen und ein Feuer entfacht. Auf dem Boden hat sie ein warmes Schaffell ausgelegt. Hier oben will sie das Licht begrüßen. Über dem Feuer köchelt Glühwein. Auch wenn es für sie allein viel zu viel ist, auf dieses Getränk will sie nicht verzichten. Es ist immer Tradition gewesen, dass sie am Ende der Nacht, wenn das Licht über die Dunkelheit siegt, mit Ila zusammen Glühwein trinkt. Doch diesmal wird es nicht so sein. Sie vermisst Ila, vor allem in diesen Momenten. Noch mehr fehlt Fay jedoch ein gewisser Zauberer. Hier, ganz allein, kann sie das zugeben. Manchmal schmerzt es sogar. Wenn sie es zulässt. «Einsam, meine Hexe?» Fay bleibt fast das Herz stehen, als die Stimme ebendieses Zauberers hinter ihr erklingt. Sie springt auf die Füße. «Dorn, wie zum Teufel…» Sie kommt nicht weiter, sie kann sich auch nicht zu ihm umdrehen, denn Dorns Arme schlingen sich bereits von hinten um ihre Taille. Seinen starken Körper an ihrem Rücken zu spüren, lässt ihren Atem stocken. «Du hast mal geschworen, dich mir nicht zu entziehen. Du erinnerst dich?» Deshalb hat er sie auch durch den Sichtschutz sehen können. Sie hätte doch einen Schutzkreis ziehen sollen. Obwohl, wahrscheinlich hätte auch das nichts genützt. Und wieder mal wird Fay klar, wie viel sie diesem verdammten Zauberer eigentlich erlaubt hat. Noch nie hat sie ein Magier derart aus der Fassung gebracht, dass sie solche Zugeständnisse gemacht hat. «Was machst du überhaupt hier? Solltest du nicht auf irgendeiner Party sein und reihenweise Bitches of Fighters vögeln?», will sie wissen. Irgendwo in ihrem Hirn weiß Fay auch, dass sie sich gegen seine Umarmung wehren sollte. Aber, Herrgott, es fühlt sich einfach zu gut an. «Bitte was? Bitches of Fighters?» Fay ist zu abgelenkt von seinen Lippen, die ihren Hals liebkosen, weshalb sie nur noch mit Mühe Worte bilden kann. «So nennen Ila und ich die Weiber, die immer um euch Krieger herumschwänzeln. Meist blond gefärbt, eine Tonne Make-up im Gesicht und Kleidung, die den Namen eigentlich auch nicht verdient. Aber die Damen sind allzeit für euch bereit.» Fay fühlt, wie Dorn grinst. «Jetzt gerade bin ich dabei, eine rothaarige Hexe zu verführen», flüstert er ihr ins Ohr. Seine Hand wandert über ihren Bauch zu ihrer Mitte, wo er sogleich ihre Klitoris durch ihre Kleider zu stimulieren beginnt. Fay stöhnt leise. Ihr Körper reagiert so sehr auf diesen Magier, dass sie bereits jetzt wieder lichterloh in Flammen steht. «Und so wie es aussieht, gelingt es mir», stellt Dorn zufrieden fest. Und da kommt Fay. So unerwartet und heftig, dass die Beine unter ihr nachlassen. Dorn hält sie fest, denn sonst wäre sie gefallen. Das kann einfach nicht wahr sein! Nichts hat sich geändert und nichts wird sich jemals ändern. Er ist ihr Untergang. «Dorn, bitte. Ich kann nicht…», versucht sie irgendwie in Worte zu fassen, was in ihr vorgeht. Dorn dreht sie zu sich herum. Seine Augen blitzen in Schein des Feuers. Die eigene Begierde steht ihm deutlich ins Gesicht geschrieben und Fay erkennt in dieser Sekunde, dass sie verloren ist. «Du kannst nicht ohne mich», vollendet er ihren Satz. Er presst ihren Körper an seinen, reibt seine Erektion an ihrem Schoss, bis sie schon wieder kurz davor ist. «Das hat keine Zukunft», keucht sie verzweifelt, während Dorn an ihrem Hals saugt. Dorn hält inne, nimmt ihr Gesicht in seine Hände und zwingt sie so ihn anzusehen. «Aber eine Gegenwart!», knurrt er. Seine Lippen senken sich auf ihre und seine Zunge fordert Einlass. Da hat er sie.
Mit einem kapitulierenden Seufzer gewährt sie ihm, was er haben will. Begierig nimmt er von ihr, gibt ebenso viel und treibt sie noch weiter in den Wahnsinn. Dorn hebt sie hoch, um sie dann auf den Fellen abzulegen. Fay schafft es gerade noch, ihr Kleid selbst zu entfernen, Dorn hätte es sonst zerrissen. Ihr Höschen fällt seiner Gier allerdings zum Opfer. Fays Schrei erfüllt die Nacht, als er mit seiner Zunge in sie eindringt und sie dann mit ebendieser zu einem weiteren Höhepunkt bringt. «Mit dem nächsten höre ich wieder meinen Namen von dir, meine Hexe! Die ersten zwei habe ich dir durchgehen lassen», fordert Dorn, seinen sengenden Blick auf die rothaarige Hexe unter ihm geheftet, die sich vor Lust windet. Es ist viel zu lange her, seit er sie gehabt hat. Und seit ihr, hat es auch keine andere gegeben. Weil er keine gewollt hat. Weil ihm diese verdammte rothaarige Hexe nicht aus dem Kopf gegangen ist. Nacht für Nacht hat er nur vor ihr geträumt. Wenn Dorn überhaupt einmal geschlafen hat. Er hat sich nach ihr gesehnt, nach ihrem Körper, der sich so wahnsinnig gut anfühlt. Und nach ihrem widerspenstigen, kraftvollen Wesen. Für diese langen Nächte wird sie bezahlen. Für jede verdammte Minute. Er wird es genießen. Fay windet sich unter ihm. «Scheißkerl», wehrt sie sich wie erwartet gegen ihn. Dorn reagiert nicht darauf. Stattdessen rammt er sich in sie hinein. Heiß, eng und feucht ist sie. Noch so viel besser, als er es in Erinnerung hat, fühlt sie sich an. Die drängende alles verschlingende Begierde, die sich so rasend schnell in Fay aufbaut, ist beinahe unerträglich. Wimmernd wölbt sie sich ihm entgegen. «Ficke ich dich hart genug, meine Hexe? Gib es zu. Kein anderer kann dir das geben, was du brauchst.» Natürlich hat Dorn damit Recht. Das wird sie diesem selbstgerechten Mistkerl jedoch bestimmt nicht sagen. Er hat so schon zu viel Macht über sie. Deshalb schüttelt Fay abwehrend den Kopf. Was allerdings nur dazu führt, dass er ihre Handgelenke über ihrem Kopf fixiert und noch härter und schneller in sie hineinstößt. Es fühlt sich an, als würde Dorn sie zerreißen und doch durchflutet sie pure Lust. Und gerade als Fay direkt an der Klippe zum Orgasmus steht, hört Dorn auf. «Kein Magier und schon gar kein Mann, kann dich so befriedigen wie ich. Und darum ist es mein Name, den du gleich schreien wirst.» Sie kann sich nicht mehr dagegen zur Wehr setzen. Hoffnungslos ist sie ihm verfallen und er weiß es. Ein einziger heftiger Stoß und ein weiterer gigantischer Orgasmus erfasst sie. Und diesmal gibt sie ihm, was er haben will. «Dorn!» Als er dies aus ihrem Mund hört, folgt er ihr. Erschöpft bricht er über Fay zusammen. Dorn begräbt sie unter seinem Körper und sie lässt es zu, wehrt sich nicht gegen ihn. Sie ist sein. Er will sie haben. Immer. Er wird einen Weg finden, dass sie bei ihm bleibt, das schwört er sich. Und dazu wird ihm jedes Mittel recht sein. Seine Hexe in den Armen begrüßt Dorn an diesem Yule das Licht.
Die Sonne blendet bereits, als Cael und Ila in den Wolfsturm zurückkehren. Ila ist erschöpft, aber nicht so reizüberflutet, wie sie es nach einer solchen durchfeierten Nacht hätte sein sollen. Die vielen Menschen sind kein Problem gewesen. Ein tiefer Frieden hat auf dieser Waldlichtung gelegen und auch sie ist ein Teil davon gewesen. Nun liegt Ila sicher und geborgen in Caels Armen, der sie gerade durch die Eingangstür zu ihrem gemeinsamen Lieblingsplatz an Feuer trägt. «Du warst unglaublich», flüstert er ihr ins Ohr und beginnt, ihrem Körper zu huldigen. Jeden Zentimeter ihres Körpers küsst und liebkost er, bis Ila vollkommen verrückt ist. Da ist nichts mehr von dem harten Zauberer, der sie verfolgt und bedrängt hat, da ist nur noch Zärtlichkeit. Diese Erkenntnis treibt Ila Tränen in die Augen. Sie ist an Cael gebunden und es ist gut so. Cael liebt sie langsam und zärtlich, aber nicht weniger leidenschaftlich. Er schont die erschöpfte Ila. Und doch muss er in ihr sein, gerade jetzt, wo er erkannt hat, dass sie nicht nur sein Schicksal, sondern sein Leben ist. Ila lässt sich von ihrem eigenen Begehren wegtragen und fliegt mit Cael zusammen zum Höhepunkt. Danach schläft sie sofort ein. Cael selbst bleibt wach und betrachtet die friedlich schlummernde Ila. Sie ist sein. Alles ist gut. Und doch fühlt Cael eine gewisse Unruhe in sich. Etwas kündigt sich an. Umbrüche. In mehreren Leben, auch in seinem. Allerdings hat er keine Ahnung welche. Der Überfall auf Ella hat etwas in Gang gesetzt. Gutes, aber auch sehr viel Dunkles und Bedrohliches. Ella ist nun wieder bei ihrer Familie. Ihr Leben ist bereits in Wandlung. Plötzlich ist sie keine Junghexe mehr, sondern eine Hexe. Eine verwundete Hexe. Und doch ist sie nicht gewillt, klein bei zu geben. Oh nein, nicht Ella. Mit einem unglaublichen Elan hat sie sich auf ihre Aufgabe gestürzt, die sie sich selbst gegeben hat: Alle HExen, die in den Clans leben, sollen lernen sich zu schützen. Bei sich selbst hat sie angefangen. Seit sie körperlich wiederhergestellt ist, trainiert Ella. Und sie hat Talent.
Ila regt sich, als Cael sie in seine Arme nimmt und hochhebt. Er beruhigt ihren Geist und küsst sie zärtlich auf ihren Scheitel. Behutsam legt er Ila aufs Bett und deckt sie zu. Dann lässt er sie allein, kehrt zurück ins Wohnzimmer. Sie soll sich erholen und nicht durch seine Unruhe gestört werden.
Diese Unruhe ist es, die Ila schließlich Stunden später aufweckt. Es überrascht Ila, diese Gefühlsregung von Cael wahrzunehmen, da er seine Gefühle meist von ihr abschirmt. Vor allem die negativen. Sie wartet, bis ihr Geist ganz wach ist und beginnt dann, ihre Umgebung bewusst wahr zu nehmen. Fremde Energien stellt sie dann fest. Magisch. Die eine weiblich, ruhig, sanft und doch machtvoll. Die andere eindeutig männlich, stark, ebenfalls in sich ruhend, mit ausgeprägtem Schutzinstinkt. Wenn sie es sich genau überlegt, könnte die männliche mit Cael verwandt sein. «Du hast ja schon bemerkt, dass wir Besuch haben. Sie sind deinetwegen hier», klärt Cael sie auf. Wieder diese Unruhe in seiner Stimme und auch so etwas wie Anspannung. Allerdings kann sich Ila nicht vorstellen, wer da mit ihr sprechen will. Die Energien sind ihr jedenfalls gänzlich unbekannt. «Ich komme», gibt sie Cael zu verstehen. Ila beeilt sich mit Aufstehen. Sie ist neugierig, wer sie so unbedingt sehen will. Außerdem interessiert es sie brennend, wer es schafft, Cael so aus der Fassung zu bringen. Dazu gehört schon ein gewisses Talent. Denn das bringen nur die Wenigsten zustande.
Cael kommt ihr entgegen, als sie wenig später über die Treppe der Galerie in den Wohnbereich kommt. Fest zieht er sie an sich, küsst sie, so dass ihr ganz heiß wird. Sie will ihn schon fragen, was los sei, doch er geleitet sie zum Paar, das bereits am gläsernen Tisch Platz genommen hat.
Die Hexe steht auf, als sie Ila wahrnimmt. Und Ila ist sofort in ihrem Bann. Ihr Alter ist schwer zu schätzen, doch ihr langes graues Haar lässt darauf schließen, dass sie nicht mehr ganz so jung ist. Ihr Gesicht ist jedoch nahezu faltenlos und die dunklen, fast schwarzen Augen scheinen schon sehr viel gesehen zu haben. Trotzdem leuchtet ein Feuer in ihnen. Ein friedliches ruhiges Feuer. Die Hexei st kleiner als Ila und doch wirkt sie durch ihre natürliche Ausstrahlung größer. Der Magier ist im Gegensatz zu ihr sehr groß gewachsen und trotz seines fortgeschrittenen Alters ist sein Körper athletisch. Seine Bewegungen sind fließend, als er der Hexe folgt, die Ila am Fuße der Treppe erreicht und ihre Hände nimmt. Sie sagt nichts, blickt Ila nur in die Augen. Ila selbst hat das Gefühl, dass sie tiefer blickt. «Es ist schön, dich zu sehen, Ilarja», begrüßt sie die Hexe. Ihre Stimme ist tief und äußerst rein. Cael, der neben Ila steht, zieht diese dichter an sich heran. «Ila, das sind Cree Litaris-Yulnian, Erste Seelenheilerin des Landes und ihr Hüter Gavril Litaris», erklärt er ihr. «Sie sind bestimmt wegen Ella hier. Ella ist bereits wieder zu ihrer Familie zurückgegangen. Cael wird Ihnen sicher die Adresse geben», meint Ila. Warum macht sie das alles so nervös? Und vor allem, warum ist Cael so kurz vor dem Durchdrehen? Sie fühlt seine wachsende Unruhe ganz deutlich. Also eigentlich ist es mehr als das, doch sie kann es gerade nicht richtig erfassen. «Nein, Ilarja, wir sind deinetwegen hier. Und, bitte, nenn mich Cree. Können wir uns irgendwo setzen?» Die letzten Worte richtet sie an Cael, der wortlos zur Sitzgruppe deutet. «Cael, was ist los?», fragt sie telepathisch nach. Doch Cael antwortet nicht, und wartet, bis sich alle hingesetzt haben. Er selbst zieht Ila ganz dicht an sich. «Ila, Cree hat heute mit mir Kontakt aufgenommen. Sie ist gestern an unserem Yulfest gewesen und hat dich dort singen gehört», beginnt er. Das Sprechen scheint ihm schwer zu fallen. «Okay.» Wieder Schweigen. Ila fühlt, wie sie langsam ungeduldig wird. Sie sollen endlich ausspucken, was los ist! Nach einem Blickwechsel zwischen ihr und Cael erklärt nun Cree: «Ilarja, ich habe gestern deine Magie gesehen. Ganz klar und deutlich. Du bist eine Seelenheilerin.» Nun schnappt Ila nach Luft. Das kann doch gar nicht sein. Seelenheilerinnen sind sehr selten und soweit sie informiert ist, hat es in den Clans noch nie eine gegeben. «Ich war ebenso überrascht. Auch ich weiß, dass es hier noch nie eine Seelenheilerin gegeben hat. Doch es ist eindeutig. Das Heilslicht, das du gestern Abend ausgestrahlt hast, war elfenbeinfarben. Die Seelenheilkraft wird deswegen auch Einhornmagie genannt. Wir haben uns mit Cael unterhalten. Deine hohe Empathie, der Energieverlust, wenn du heilst: Das sind alles Merkmale von Seelenheilerinnen. Auch der Umstand, dass Cael dich gebunden hat, ist dadurch zu erklären.» Bei diesem Teil der Erklärung stutzt Ila. Was hat Caels besitzergreifendes Wesen damit zu tun? Nun ergreift Gavril das Wort: «Cael ist für dich das, was ich für Cree bin. Er ist dein Hüter und damit auch dein Anker. Du hast Ella nur heilen können, weil du da schon an ihn gebunden warst. Sonst wärst du wahrscheinlich bei dem Versuch gestorben.» «Was bedeutet das jetzt?» Ila ist irgendwie schwindlig von diesen vielen Informationen. «Ich möchte dich ausbilden, Ilarja. Dazu müsstest du aber zu mir in die Sorfareilla kommen. Für mindestens zwei Jahre. Es ist deine Entscheidung», führt Cree aus. Ihr Blick ruht auf Ila, die noch immer nicht ganz begreift, wie ihr geschieht. «Und Cael?» Sie ist an ihn gebunden, also kann sie gar nicht entscheiden. Und jetzt gerade in diesem Augenblick, in dem ihr das Leben wieder einmal den Boden unter den Füßen wegzieht, ist sie froh darüber. «Das Universum hat Cael zu deinem Hüter bestimmt. Es ist seine Entscheidung, ob er seine Aufgabe annimmt oder nicht. Sollte er es nicht wollen, kann die Bindung gelöst werden. In diesem Falle würden wir einen anderen Hüter für dich finden», informiert Cree. Caels Arm umklammert Ilas Taille. «Niemals!», zischt er nur und allen Beteiligten ist klar, was er meint. «Ihr beide müsst entscheiden. Wenn du deine Gabe annehmen und die werden willst, zu der dich das Universum bestimmt hat, wird es einen Weg geben.» Cree lässt sich nicht beirren. Ihr Blick liegt ruhig und gelassen auf der inzwischen völlig überforderten Ila. Mit einem verständnisvollen Lächeln erhebt sich Cree. «Bestimmt ist das jetzt alles etwas viel. Lass dir Zeit, Ila. Du kannst auch die Sorfareilla besuchen kommen. Sei gesegnet, meine Seelenschwester.» Nach diesen Worten öffnet Cree ein Portal. Gavril zieht die Seelenheilerin in seine Arme und gemeinsam verlassen sie den Wolfsturm
Benommen blickt Ila auf den Punkt, an dem eben noch Cree gestanden hat. Hinter ihr tigert Cael durch den Raum. Würde er nicht über so viel Selbstbeherrschung verfügen, würde er jetzt wohl etwas kaputtschlagen. Doch das ist nicht seine Art. Ila konzentriert sich auf den aufgebrachten Magier und dann stielt sich ein Lächeln auf ihr Gesicht. Sie dreht sich zu ihm um. «Wovor hast du Angst?», fragt sie ihn leise. Abrupt hält Cael inne und starrt sie an. Er versucht nicht, es zu leugnen. Die Angst ist so übermächtig, seit Cree und Gavril hier aufgetaucht sind. Ila hat sie fühlen müssen. «Dich zu verlieren.» Seine Stimme bricht, als er dies tatsächlich zugibt. Auch wenn er gerade eben so getan hat, als würde er sie niemals gehen lassen, es war gelogen. Wenn Ila einen anderen Hüter will, weil sie nicht darauf vertraut, dass er das für sie sein kann, wird er sie gehen lassen. Es wird ihn umbringen, aber er wird es tun. Niemals wird Cael sie von ihrer Bestimmung abhalten. Weil er sie liebt. Langsam kommt Ila auf ihn zu, stellt sich vor ihn, nimmt sein Gesicht in ihre zarten Hände, die jetzt gerade eiskalt sind. Fest blickt sie ihm in die Augen und diesmal ertrinkt er in ihren. «Ohne dich gehe ich nirgendwo hin. Auch wenn du ein besitzergreifender Idiot bist. Wenn ich die Ausbildung mache, dann nur mit dir. Und jetzt darfst du mir sagen, dass du mich liebst. Ich dich nämlich auch.» Da küsst er sie, dass ihr die Luft wegbleibt und sie sich zitternd an ihn klammert. Die Stirn an die ihre gelehnt flüstert er dann die Worte. «Ich liebe dich.»
©by Patricia Tschannen, 2024
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