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Kapitel 14

Bild: Yentl Fasel
Bild: Yentl Fasel

Cael hat die Wahrheit gesagt. Die Seide löst sich, sobald Ila sich dagegen wehrt. Sie befreit sich aus den unzähligen Metern Stoff, richtet sich auf, blinzelt geblendet. Es ist Tag, wahrscheinlich schon Nachmittag. Es dauert noch eine Weile, bis sie sich orientieren kann. Sie sitzt auf einem bequemen, ausnehmend großen Bett. Gegenüber ist ein Wandschrank, der die gesamte Zimmerbreite einnimmt. Da alle seine Türen aus Spiegeln bestehen, blickt sie sich selbst in ihrer ganzen Nacktheit an. Instinktiv greift sie nach der schwarzen Satinbettdecke. Dieser Raum, sein Schlafzimmer, ist beängstigend groß. Die Macht seines Besitzers ist noch größer und noch furchteinflößender. Und sie ist an diesen Mann gebunden. Für immer, hat er gesagt. Die harte Realität trifft Ila wie ein Faustschlag in den Magen. Sie lässt sich rückwärts aufs Bett fallen und schließt gequält die Augen. Wie konnte das alles nur geschehen? Wie konnte ihr Leben in eine solche Katastrophe ausarten? Ila denkt zurück an jene Nacht, in der sie Cael zum ersten Mal begegnet ist. Wenn sie sich damals gegen ihn zur Wehr gesetzt hätte, wäre sie heute nicht hier. Ila hätte ihn von sich stoßen, sich mit aller ihr zur Verfügung stehenden Kraft vor ihm schützen sollen. Sie hätte sich vor ihm verstecken müssen. Bei ihrem Bruder Zuflucht suchen oder am besten gleich die Stadt verlassen sollen. «Ich hätte dich überall gefunden», lässt Cael sie wissen und erinnert sie gleichzeitig daran, dass ihre Gedanken nicht mehr ihr allein gehören. «Aber hättest du mich denn überhaupt gesucht? Es war ja noch gar nichts passiert. Du hast lediglich meinen Sirenengesang gehört. Da bin ich doch einfach nur eine Hexe gewesen, die du begehrt hast«, gibt sie zu bedenken. Federleicht streichen Caels Finger über ihr Gesicht. Er ist nicht hier, aber durch die von ihm geschaffene Bindung kann er das. Er hat das schon vorher gekonnt, aber nicht so. Nicht so intim, nicht so absolut. «Das bist du nie gewesen, Ila. Du bist nie, nur irgendeine Hexe für mich gewesen. In der Sekunde, in der ich deinen Sirenengesang gehört habe, bist du nur noch eines für mich gewesen: Schicksal», stellt er klar. Erschrocken schnappt Ila nach Luft. Schicksal. «Das ist nicht wahr!» «Doch. Und wenn du endlich aufhören würdest, dich dagegen zu wehren, wüsstest du es auch», behauptet er. Ila sagt nichts. Setzt sich an die Bettkannte und kaut an ihrer Unterlippe. Ist das wirklich so? Muss das alles einfach so sein? Ila ist zu aufgewühlt und zu verwirrt, um diese Frage beantworten zu können. «Kann ich mich anziehen und dieses Schlafzimmer verlassen, der Herr?», giftet sie stattdessen. «Ila, du hast vor mir kapituliert, nicht dich unterworfen. Ich bekomme zwar mit, wenn du deine Hexenkraft nutzt und kann es auch verhindern. Aber sie ist immer noch die deine», teilt er ihr mit, «Und Ila, wenn du es schon nicht erkennen kannst, dass wir beide füreinander Schicksal sind, hör wenigstens so lange auf, gegen mich zu kämpfen, bis du dir absolut sicher bist, dass es nicht so ist.» Seine Stimme klingt anders als eben gerade noch. Kann es sein, dass er sie wirklich ernsthaft darum bittet? «Cael, ich bin einfach nur durcheinander. Ich weiß ja nicht einmal, wo ich eigentlich bin», antwortet sie. Sich gegen ihn zu stellen, macht sie einfach nur unglaublich müde. «Dann schau dich um. In der Wohnung kannst du dich frei bewegen.» Mit diesen Worten unterbricht Cael die Verbindung. Ila beschließt, genau das zu tun. Als Erstes beschafft sie sich Kleidung. Es fühlt sich etwas anders an, aber ihre Magie funktioniert wie immer. Sekunden später steht Ila in ihrem schwarzen weit schwingenden Lieblingsrock und einem hellen enganliegenden Top vor dem Spiegelwandschrank. Mühevoll entwirrt sie ihre völlig zerzausten Haare und steckt sie hoch. Zufrieden mit ihrem Erscheinungsbild lächelt sie sich zu. Ila bleibt barfuß, weil sie das mag. Außerdem ist ihr trotz des kalten Wintertages heute, angenehm warm. Dann wird sie jetzt mal ihr Gefängnis erkunden. «Es ist nicht dein Gefängnis. Es ist dein neues Zuhause», korrigiert Cael. «Ich kann es nicht ohne deine Erlaubnis verlassen, also ist es ein Gefängnis!», gibt sie zurück. Kann er sie jetzt nicht fünf Minuten in Ruhe lassen? Sie schnaubt genervt auf. Ila fühlt, wie er grinst. «Klugscheißer!», flüstert er und beißt sie sanft in den Nacken. Schauer jagen durch ihren Körper. Herrgott! Sie begehrt ihn, auch jetzt. Schicksal. Das Wort lässt sie nicht mehr los. «Sieh es dir an. Nenn es wie du willst, Ila, aber nicht Gefängnis. Denn das ist es nicht.» Wieder dieses Sanfte, Liebevolle in seiner Stimme. Es berührt etwas in ihr, wenn er so mit ihr spricht. Etwas, das sie selbst nicht benennen kann. Entschlossen öffnet Ila nun die Tür, tritt hinaus und bleibt völlig überwältigt stehen. Was sie sieht, ist einfach atemberaubend. Er hat es Wohnung genannt, Palast trifft es aus ihrer Sicht schon eher. Ila steht auf einer Galerie. Wie ein Rahmen umfasst diese den riesigen Raum unter ihr. Die Zimmer der Galerie, einige haben Türen aus Milchglas, wird sie später erkunden. Damit wird sie dann wohl einen ganzen Tag beschäftigt sein. Der Wohnraum unter ihr interessiert sie gerade mehr. Über eine Wendeltreppe gelangt sie nach unten. Nun steht sie da. Mitten in seinem Reich. Auf der einen Seite ist eine offene Küche, modern ausgestattet, in Schwarz und Silber gehalten. Ila fragt sich, ob Cael tatsächlich selbst kocht. Verwirft dann aber den Gedanken wieder. Er wird es wohl mit seiner Magie tun. Schließlich hat er genug davon. Also grundsätzlich hat er zu viel davon. Wieder spürt Ila, dass er über ihren Gedanken lacht. Er sagt jedoch nichts dazu. Der Esstisch ist aus Glas, was Ila nicht weiter verwundert. Allgemein ist in der Einrichtung sehr viel Glas enthalten, mit einigen silbernen und schwarzen Elementen. Besonders fällt ihr der riesige Kronleuchter in der Mitte auf. Als sie auf den Flügel zugeht, entdeckt sie die Fensterfront und dahinter die Terrasse, fast ebenso groß wie der Wohnbereich selbst. Es sieht aus wie ein verwunschener Garten. Etwas Schnee liegt auf den vielfältigen Pflanzen. Ila entdeckt einige immergrüne Heilpflanzen, aber das meiste sind wunderschöne Zierpflanzen. Im Moment wirkt es eher verschlafen und karg, doch wenn hier alles blüht, muss es das Paradies sein. Ila öffnet die Tür, das möchte sie sich genauer ansehen. Doch als sie hinaustreten will, kann sie sich plötzlich nicht mehr rühren. Alles in ihr erstarrt. Hier ist die Grenze. Sie darf die Wohnung nicht verlassen und die Terrasse gehört offenbar nicht zu dem Bereich, den sie betreten darf. Traurigkeit überkommt sie. Tränen steigen in ihr hoch. Sie ist… Sie kann das Wort weder denken noch aussprechen, weil Cael nicht will, dass sie es sagt oder denkt. «Weil ich nicht will, dass du unsere Beziehung so siehst. Wenn du meine Gefangene wärst, hätte ich dich nicht hierhergebracht. Dann wärst du jetzt irgendwo in den unteren Stockwerken des Wolfsturms. Wenn du für mich nur die kleine Schwester von meinem Feind Dorn wärst, würde es mich nicht kümmern, dass du gerade weinst.» Diesmal ist er wirklich da. Sie dreht sich zu ihm um. Ila fragt nicht, was für eine Beziehung sie denn führen. Seine Antwort darauf kennt sie. Es hat keinen Sinn, darüber zu streiten. Stattdessen beginnt sie, Fragen zu stellen, die ihr vielleicht helfen, sich in ihrer Situation zurecht zu finden. «Meine Arbeit im Blue Moon?» «Vorbei.» Gequält schließt Ila die Augen. Sie wird nicht ins Blue Moon zurückkehren können. Ob ihm wohl bewusst ist, wie sehr sie sich dran geklammert hat? Nach der Kampfsaison wieder dieser Arbeit nachgehen zu können, hat für sie auch die Rückkehr in die Normalität bedeutet. «Dein Bruder würde herausfinden, dass du wieder dort arbeitest. Und er würde versuchen, dich mir weg zu nehmen. Du weißt, wie das enden würde», versucht Cael ihr verständlich zu machen. «Darf ich mich wenigstens persönlich von ihnen verabschieden?» «Ich werde dich begleiten», stimmt Cael zu. Ihr nächster Gedanke gilt Ste. Cael knurrt, als er den Namen in ihren Gedanken sieht. Unwillig schüttelt Ila den Kopf. Cael muss doch wissen, dass nie etwas zwischen ihr und Ste gelaufen ist. «Warum denkst du dann an ihn?», will Cael wissen. «Ich habe Aufträge, die ich erfüllen muss», erklärt Ila weiter. Cael runzelt die Stirn. «Was für Aufträge?» Kurz schließt Ila die Augen. Sie wird wohl auch ihr letztes Geheimnis vor ihm preisgeben müssen. «Ich singe», sagt sie schlicht. «Was?», will er wissen. «Background, für diverse Musiker.» Das überrascht Cael. Er kennt eigentlich alle guten Backgroundsängerinnen im Business. Bis auf eine. «Welche Label?», fragt er weiter. «Angel, Glory und Fire.» «Von wem hast du Aufträge?» «Bei Gilmay und bei Lord habe ich bereits unterschrieben. Mit Wolfblood laufen noch Verhandlungen, weil sie unter deinem Label produzieren.» Cael fixiert sie mit seinem hypnotischen Blick. Er könnte sich die Information auch einfach holen. Aber er forscht weiter. «Du bist Lady Blue», vermutet er. Ila nickt zustimmend. «Und bei Ste nimmst du auf?», will er wissen. Auch das bestätigt Ila. «Du kannst Gilmay und Lord noch bei ihm aufnehmen. Danach kannst du für Mystic Music arbeiten, wenn du willst», bietet er ihr an. «Und die restliche Zeit sperrst du mich hier oben ein?» Ilas Stimme bricht. Allein der Gedanke daran lässt Ila zittern. Sie dreht sich von Cael weg. Er soll die aufsteigenden Tränen nicht sehen. Cael betrachtet ihren bebenden Rücken. «Wenn du wirklich Lady Blue bist, wirst du wenig restliche Zeit haben», erklärt er. «Was soll das heißen: Wenn du Lady Blue bist?» Will er etwa behaupten, dass sie lügt? «Lady Blue ist eine außergewöhnliche Stimme. Sie geht nicht nur mühelos über zwei Oktaven, sie schafft es auch, Gefühle zu erzeugen. Es fällt mir schwer, zu glauben, dass ein Krähenmädchen wie du so etwas kann.» Er provoziert sie bewusst und es gelingt ihm. Ila wirbelt herum richtet sich auf und blickt ihn stolz an. «Ob du das glaubst oder nicht, ist dein Problem. Fakt ist: Ich bin Lady Blue», schleudert sie ihm entgegen. «Beweise es!», fordert er. Ila atmet tief durch. Noch nie hat sie sich als Lady Blue zu erkennen gegeben. Für sie ist das ein sehr intimer Moment. Es fühlt sich an, als würde sie jetzt gerade ihre Seele offenbaren. Aber vor wem sonst würde sie sich so entblößen, als vor Cael? Sie nimmt die Herausforderung an

Bild:Shotshop
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 «Okay. Gib mir einen Song!» Mit einer fließenden Bewegung setzt sich Cael an den Flügel. Er schlägt einige Takte an. Ila erkennt das alte irische Volkslied. Es ist eine extrem tiefe Stimmlage. Ila begreift sofort, worauf Cael hinauswill. Sie schließt die Augen und legt den Kopf in den Nacken. Sie atmet vollständig aus und langsam wieder ein. Ihre Stimme ist tief, vibrierend und kehlig. Während des gesamten Songs hält sie die Spannung, die sie zu Beginn erzeugt hat und lässt sie dann einfach im Raum zurück. Cael wechselt die Tonart. Ila erkennt den Song sofort. «Amazing Grace» Allerdings sehr viel höher als der vorherige Song. Ila öffnet die Augen, sie fixiert die Tür zur Terrasse. Und dann erzählt Ila von der Gnade, die sie gesehen hat. Jeder Ton ist glasklar und doch wirkt das Ganze unglaublich zerbrechlich. Ila hat kaum zu Ende gesungen, da nimmt Cael sie bei der Hand, zieht sie in den Aufzug und fährt mit ihr hinunter in die Studioräume. «Jetzt will ich es wissen.» Mit diesen Worten drückt er ihr einige Notenblätter in die Hand. Er selbst verschwindet ihm Aufnahmeraum. Allein steht Ila im abgedunkelten Raum. Nur kurz blickt sie auf die Papiere in ihrer Hand. Dann huscht ein Lächeln über ihr Gesicht. Es ist einer der Songs von Wolfblood, die sie als Demotape erhalten hat Behutsam nimmt sie den Kopfhörer von der Halterung. «Ich bin bereit, wenn du es bist», sagt sie leise ins Mikrofon. Cael gibt ihr die Musik in den Kopfhörer. Da lässt Ila sich selbst los und singt für das Mädchen, das gerade zur Frau wird. Der Text ist in der magischen Sprache der Strigalingui verfasst. Und Ila fühlt, dass gerade mehr passiert als nur Musik. Sie lässt es zu, weil es richtig ist, weil es so sein muss. Schicksal. Das Wort kommt in ihr auf, nachdem der letzte Ton verklungen ist.

Sofort ist Cael bei ihr. Zärtlich nimmt er ihr Gesicht in seine Hände. «Das war pure Magie.» Seine Stimme ist voller Ehrfurcht. Als er sie innig küsst, erwidert sie seinen Kuss, der sehr schnell fordernd wird. Als Cael sie hochhebt, erfasst ein Ziehen ihren Körper und sie lässt es zu. In seinen Armen demanifestiert sie sich und landet mit ihm auf dem weichen weißen Teppich im Wohnbereich. Mit hungrigen Augen blickt Cael sie an, wie sie unter ihm liegt. Er entfernt ihre Kleidung, fasst ihre Hände und fixiert sie über ihrem Kopf. «Genau da habe ich dich haben wollen, seit ich dich das erste Mal sah», flüstert er. Mit der Zunge streicht er ihrem Schlüsselbein entlang zu ihrer Brust. Ila erschauert, als er ihre Brustwarze mit den Lippen umschließt, sie saugt und leckt. Federleicht gleiten seine Hände über ihre Seiten zu ihrem Becken. Bereitwillig öffnet Ila sich für ihn. Völlig entblößt liegt sie vor ihm. Ist erfüllt von ihrer eigenen Lust und ihrem Begehren nach diesem Mann. Als er seinen Kopf zwischen ihre Schenkel senkt und mit der Zunge über ihr Innerstes leckt, schreit Ila auf. Alles in ihr bebt und vibriert. «Ja, Ila genauso. Ich will es hören. Ich will hören, wie du dich mir hingibst, ich will hören, wie du dich in deiner Lust verlierst.» Wieder und wieder gleitet er mit der Zunge über ihre Klitoris. Alles in ihr pulsiert. Ihr ganzer Körper ist nur noch Hitze Begierde und Ekstase. Genau in dem Moment, in dem gleißendes Licht sie umhüllt und überflutet, dringt Cael in sie. Ihren lusterfüllten Schrei fängt er mit seinen Lippen ein. Er ist in ihr und doch fühlt Ila, dass sie ihn genauso ausfüllt, wie er sie. Mit langsamen tiefen Bewegungen bringt er Ila wieder an den Rand des Wahnsinns. Doch auch er steht dem Abgrund ebenso nahe. «Sieh mich an!», fordert er. Ila gehorcht. Nicht, weil er es erzwingt, sondern weil es so sein muss. Ila ertrinkt in diesen wahninnig faszinierenden silbernen Augen, während Cael in ihre goldenen Augen blickt, die für ihn sein Schicksal bedeuten. So verbunden erleben sie einen Orgasmus, der beiden den Boden unter den Füssen wegreißt und sie schweben lässt. Schwer atmend liegen sie nebeneinander und landen allmählich wieder in der Realität. Während das Hochgefühl langsam nachlässt, fällt Ilas Blick auf Cael neben ihr. Er ist ein Bild von einem Mann. Sein Körper ist trainiert, seine Muskeln gut ausgebildet. Seine Haut ist überraschend weich und trotz des Winters noch immer etwas gebräunt. Die Nacktheit scheint ihn in keiner Weise zu beschämen. Ila selbst ist sich ihrer eigenen Blöße nur zu bewusst. Gerne würde sie sich bedecken. Auch wenn sie weiß, dass Cael schon so viel mehr von ihr gesehen hat als nur ihren Körper. Da umhüllt sie schon eine weiche Decke und Ila erschauert wohlig. Cael hat ihr Unbehagen bemerkt und sofort Abhilfe geschaffen. Es irritiert Ila noch immer, dass er jede Gefühlsregung von ihr registriert, während er für sie ein Buch mit sieben Siegeln ist. «Warum spüre ich dich nicht?» Die Frage ist ausgesprochen, bevor sie überhaupt richtig darüber nachgedacht hat. Mit den Fingerspitzen streicht Cael über ihr Schlüsselbein, was sie erschauern lässt. «Du spürst mich nicht?» Seine Augen blitzen amüsiert. Ila errötet. «Das meine ich nicht», berichtigt sie. «Da bin ich aber erleichtert. Sonst hätte ich genau jetzt dafür sorgen müssen, dass sich dies ändert. Ich bin nicht sicher, ob du schon wieder genügend Energie dazu hättest», grinst Cael. Verzehrende Lust breitet sich bei seinen Worten in ihr aus. Sie seufzt leise, fast sehnsuchtsvoll. Einen kurzen Augenblick denkt sie sogar darüber nach, selbst aktiv zu werden. Denn sie will ihn tatsächlich schon wieder in sich spüren. Doch die Frage setzt sich in ihr fest. Warum spürt sie ihn nicht? Jeder Mensch, egal ob magisch oder nicht, überträgt durch Berührung seine Gefühle auf Ila. Häufig ist nicht einmal Körperkontakt nötig, damit Ila die Emotionen um sie herum wahrnimmt. Einzig bei Cael ist das nicht der Fall. Auch bei Fay und den anderen, mit denen sie in den Katakomben zu tun hat, dringen deren Gefühle nicht immer in sie ein. Dies rührt vor allem daher, dass diese um Ilas Empathie wissen und ihre Emotionen bewusst vor ihr abschirmen. Ila stockt der Atem, als sie erkennt: «Du bist empathisch.» Cael fixiert sie mit seinem Blick. «Ich bin nicht wie du.» Mit einer schnellen Drehung schiebt er sich über sie. «Wie war das jetzt noch mal mit `ich spüre dich nicht?`» Noch ehe Ila etwas erwidern kann, ist Cael bereits in sie eingedrungen. Ila schnappt nach Luft, als er sie plötzlich so ausfüllt. Er will sie ablenken und natürlich gelingt es ihm. Voller Lust wölbt sie sich ihm entgegen. Seine Lippen schließen sich um eine ihrer Brustwarzen. Er saugt daran und steigert so ihre Lust ins Unermessliche, bevor er sich in ihr zu bewegen beginnt. In rasender Geschwindigkeit bringt er sie beide zum Höhepunkt. Mit Ila in seinen Armen dreht Cael sich auf den Rücken. Vertrauensvoll kuschelt sie sich an seine Brust. Cael zieht die warme Decke über sie beide. Erschöpft wie Ila ist, könnte sie einfach einschlafen. Doch ihr Geist ist zu beschäftigt. Er ist nicht wie sie, hat Cael gesagt. Ihre Vermutung, dass er ein Empath ist, hat er jedoch nicht verneint. Ila kennt ihn bereits gut genug, um zu wissen, dass dies etwas bedeutet. «Du bist Gedankenempath», erkennt Ila. «Du bist eine sehr kluge Hexe», brummt Cael. 

Bild:Shotshop
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Mit diesen Worten erhebt er sich und tritt zur Terassentür. Er blickt hinaus in die Dunkelheit. Ila folgt ihm. Dass sie immer noch nackt ist, beachtet sie nicht. Behutsam berührt sie seine Schulter, um ihm zu signalisieren, dass sie da ist. «Wie hast du überlebt?» Die wenigsten Gedankenempathen erleben die Volljährigkeit. Diese Art von Empathen hören sämtliche Gedanken der Menschen um sich herum. Schaffen sie es nicht, sich zu schützen und ihre Gaben so zu kanalisieren, verlieren sie zuerst den Verstand. Die Seele ist dann irgendwann so gepeinigt, dass sie sich vom Körper löst. «Meine Mutter hatte dieselbe Gabe.» Ila glaubt einen kurzen Schmerzstich zu verspüren, der nicht von ihr kommt. Sie sagt jedoch nichts, der Moment ist intimer als alles, was sie bisher mit Cael geteilt hat. Dieser öffnet nun die Terassentür, kalte Luft streift sie und lässt beide erschauern. In stillem Einvernehmen erschaffen sie sich Kleidung und treten hinaus. Er führt sie zu einer Hollywoodschaukel, welche nahe am Geländer steht. Bevor Ila sich hinsetzen kann, legt Cael ein Wolltuch über ihre Schultern. Seine Fürsorge überrascht sie immer wieder. Eine Weile sitzen sie schweigend nebeneinander. Der Himmel ist von Wolken verhangen. Die Terrasse ist nur wenig beleuchtet. Ila vermutet, dass diese Dunkelheit Cael hilft, mehr von sich Preis zu geben. Um Cael zu ermutigen, nimmt sie seine Hand und drückt sie liebevoll. «Ohne meine Mutter hätte ich mein vierzehntes Lebensjahr nicht überlebt», beginnt Cael zu erzählen. Ila denkt nach und erkennt: «Bei den Dark Crow beginnt da die Ausbildung der Krieger.» Cael nickt. «Bei uns auch. Für mich bedeutete dies auch, dass mein Vater mich auf meine Zukunft als Alpha vorzubereiten begann.» «Ich habe immer gedacht, dass bei euch der Alpha gewählt wird», überlegt Ila. «Das ist schon richtig. Aber der Alpha, der abtritt, nominiert seinen Nachfolger. Der Nominierte muss den Clan ein Jahr lang führen. Danach wählt der Clan entweder den Nominierten oder nominiert jemand anderes. Pa wollte, dass ich sein Nachfolger werde und hat mich früh gefördert. Dass ich Mas Empathie geerbt habe, hat er lange Zeit nicht wahrhaben wollen. Er hat geglaubt, dass meine Feinfühligkeit weggehen würde, wenn er mich nur hart genug anfasst. Pa hat mich trainieren lassen, bis ich vor Erschöpfung gekotzt habe. Jeder einzelne Muskel hat mich geschmerzt. Aber die Stimmen in meinem Kopf gingen nicht weg. Im Gegenteil. Je mehr ich gegen sie angekämpft habe, desto mehr setzten sie mir zu. Das Schlimmste für mich war, dass ich Pa enttäuschte. Eines Tages lag ich dann auf meinem Bett. Völlig leer, um mich herum nur Dunkelheit. Für die Außenwelt nicht mehr erreichbar. Nur Ma konnte noch zu mir durchdringen. Sie hat mich in die Seide eingewickelt wie ich dich.» Ein Lächeln huscht über sein Gesicht und er wirft Ila einen Seitenblick zu. «Was ist danach passiert?», will Ila wissen. «Ma war eine sehr sanfte Frau. Ihrem Ehemann gegenüber war sie stets loyal. Ihre Mutterliebe war dennoch stärker und ab diesem Tag hat sie sich eingemischt, wenn es um meine Ausbildung ging. Sie hat darauf bestanden, dass mein Training auf ein normales Maß reduziert wurde. Zuvor habe ich immer Musik gemacht und darin so etwas wie Frieden gefunden. Ma sorgte dafür, dass ich meine Musikstunden wieder aufnehmen konnte. Sie hat immer gesagt, ich soll mir neben dem Clan etwas aufbauen, damit ich nicht von deren Erfolg abhängig sei.» «Die Musik allein hat gereicht?», fragt Ila erstaunt. Sie kann nicht glauben, dass es bei Cael so einfach gewesen sein soll. Ihr hilft Musik zwar auch sehr viel, dies allein genügt jedoch nicht. Er grinst. «So einfach war es nicht. Ma hat mich darin unterrichtet, mich selbst abzugrenzen. Sie hat mir jede auch nur erdenkliche Meditationstechnik beigebracht. Ich musste üben, bis ich sie drauf hatte, egal was um mich herum lief. Ganz ehrlich, manchmal wäre ich lieber zu Pa in den Trainingskeller, als mit Ma stundenlang meinen Geist zu disziplinieren. Schlussendlich hat aber gerade dieses Training mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Kaum jemand weiß, dass ich Gedankenempath bin und diese Fähigkeit beliebig nutzen kann.» Es wundert Ila keineswegs, dass Cael dieses Geheimnis bisher wahren konnte. Keiner käme auf die Idee, dass ein Gedankenempath zum Alpha werden könnte. «Dein Vater hat sich sehr früh zurückgezogen», forscht Ila weiter. Caels Jugend interessiert sie wirklich sehr, erklärt sie doch so viel über Caels Wesen. «Nicht freiwillig. Er wollte mir noch mehr Zeit geben, aber das Schicksal hat es anders gewollt. Ich war gerade mal 19 und dabei, Mystic Music aufzubauen. Erst wenn das richtig laufen würde, wollte sich Pa zurückziehen. Ma hat sich schon darauf gefreut, mit ihm aufs Land zu ziehen. Dann kam der Krebs bei Pa. Die einzige Krankheit, gegen die kein Heilslicht wirkt. Und Pa wollte in kein normales Krankenhaus. Unmittelbar nach der Diagnose hat er mich nominiert. So konnte er mich wenigstens noch ein halbes Jahr begleiten, bis er starb.» Ila hört wie seine Stimme leiser wird. Seine Trauer ist deutlich spürbar. Ila lehnt sich an ihn, zeigt ihm so ihr Mitgefühl. Cael seufzt tief. Es tut ihm gut, mit Ila darüber zu sprechen. Sie ist eine der wenigen, der Cael zutraut, dass sie ihn versteht. Für Ila ist er auf einmal nicht mehr der allmächtige Alpha, der immer souverän sein muss. Gerade jetzt sieht Ila in Cael ihren Partner. Und das, obwohl er ihr zu Beginn ihrer Beziehung so zugesetzt hat. Sein bewundernder Blick streift Ila. «Du erinnerst mich ein wenig an Ma. Ich bin überzeugt, sie hätte dich gemocht. Auch wenn die Rivalität zwischen unseren Clans schon damals bestand. Leider ist auch sie nicht mehr. Sie hat Pa so sehr geliebt. Mir war völlig klar, dass sie ihm folgen würde. Nach meiner Wahl zum Alpha der Black Wolves, hat sie genau das getan. Die Verbindung zueinander war auch nach einem halben Jahr stark genug.» «Ich hätte sie gerne kennengelernt. Beide», meint sie. «Sie scheinen den Morigons sehr ähnlich gewesen zu sein», überlegt Ila. Er wirft ihr einen fragenden Blick zu. «Die Morigons waren für mich eher Eltern als meine eigenen. Dass mein Vater Valentin bis vor zwei Jahren Mitglied der Cuverna war, weißt du wahrscheinlich. Für ihn hat es immer nur die Geschäfte gegeben. Und Laila hat sich ausschließlich um ihre Partys gekümmert. Als Mutter ist sie für Dorn und mich nie existent gewesen. Die Morigons waren unsere Nachbarn und Viola Morigon hat mich quasi adoptiert. So habe ich auch Fay kennen gelernt.» erklärt Ila. «Sozusagen eine Kinderfreundschaft», bemerkt Cael. Doch Ila berichtigt: «Nein, Schwesternschaft.» Cael fragt nicht weiter, kann er auch nicht, weil Machos Stimme ertönt: «Alpha, die Heilerin Cella Margente verlangt, die Heilerin Ilarja Delay zu sehen.» Überrascht blicken Ila und Cael einander an. «Mann, Alpha, sie beruft sich auf irgend einen Artikel im Gesetz der Cumbatsidat. Ich kann das nicht mehr wieder geben, das ist mir einfach zu kompliziert. Bitte, kann ich sie rauflassen? Die Hexe macht mich kirre!» Macho klingt so verzweifelt, dass Ila kichern muss, und auch Cael kann ein Grinsen nicht unterdrücken. «Sie hätte Anwältin werden sollen», brummt Cael. «Lass das bloß Fay nicht hören», murmelt Ila. «Möchtest du Cella gerne sehen?», fragt er nun. Ila nickt. «Lass sie rauf, Macho.» Cael hilft Ila beim Aufstehen und führt sie in die Eingangshalle.

 

©by Patricia Tschannen 2024

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