Es hat bereits Mitternacht geschlagen. Im Tanzstudio Layana ist es schon seit einer Weile still geworden. So kann sich Ila direkt in den Tanzsaal manifestieren. Arielle, die Besitzerin des Layana lässt ihr jeweils einen Pfad offen, wenn sie weiß, dass sie herkommen will. Ila trägt bereits ihre Tanzkleidung. Ein schwarzes Top, und schwarze Leggings. Sie ist barfuß, obwohl der Boden kalt ist. Um ihre Hüften hat sie ein schwarzes mit silbernen Fäden durchwirktes Tuch geschlungen. Ihre langen Haare trägt sie entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit offen. Ila geht zur Musikanlage, an die ein Laptop angeschlossen ist. Sie startet ihn und hört sogleich Arielles fröhliche Stimme: «Hallo meine Schöne, ich hoffe, es geht dir gut. Bist du bereit? Als Erstes, Augen zu und gib Gas!» Treibende Gipsy-Musik erklingt und Ila tut genau das, was Arielle ihr empfohlen hat. Sie schließt ihre Augen und lässt sich von der Musik wegtragen. Sie beginnt, ihren Körper zu spüren, und findet ihre ureigene Weiblichkeit. Es gibt für Ila nur sehr wenige Momente, in denen sie sich gehen lassen kann. Hier ist sie allein, hier können keine fremden Gefühle sie berühren. Und so lässt sie los. «Jetzt lass sie raus, deine Sinnliche.» Die Musik wird langsamer, orientalisch und sinnlich. Ila stellt ihren Fuß auf und bewegt ihr Becken. Sie fühlt sich ganz als Frau. In ihrem Geist flackern silberne Augen auf und sie glaubt, seine lockenden Hände und diese verführerischen Lippen auf ihrem Körper zu spüren. Diesmal schiebt Ila die Erinnerungen nicht weg. Diese gehören zu ihr, zu der Frau, die sie ist. Cael ist der erste Mann in ihrem Leben gewesen. Ein Umstand, den sie nicht mehr ändern kann. Den die Sinnliche in ihr akzeptiert. Nachdem Ila nun ganz im Tanzen angekommen ist, arbeitet Arielle über Video mit ihr an einer Choreografie zum Lied «Aicha». Ila hat sich dieses Lied gewünscht. Vor allem, weil «Aicha» so viel wie «das Leben» heißt. Außerdem mag sie die Musik. Nach einer Stunde endet das Video mit Arielles Segensgruß. Ila will sich schon nach Hause manifestieren, als sie das Heulen eines Wolfes aus den Boxen zusammenfahren lässt. Der treibende Beat des Wolfssongs erfasst sie. Er hat sich nicht erst jetzt manifestiert, sondern ist einfach jetzt aus dem Schatten getreten. Cael. Seine silbernen Augen fixieren sie. Und Ila kann den Blick nicht mehr von ihnen lösen. Noch immer ganz bei sich in ihrem Frausein reagiert sie auf den Mann und die Musik. Er fasst sie an der Taille und hebt sie hoch. Seine Härte findet ihre weiche Mitte. Der Kontakt lässt beide aufstöhnen. Ila ist nicht bewusst gewesen, dass sie sich so sehr danach gesehnt hat, ihn wieder zu spüren. Cael gräbt eine Hand in ihre Haarflut, zieht ihr Gesicht an sich heran. Ihre Augen sind wirklich golden, stellt er fest, bevor seine Zunge in ihren Mund eindringt. Sein Kuss hat nichts Sanftes. Er ist hart, erregend und absolut besitzergreifend. Ila kann diesem Ansturm nichts entgegensetzen. Genau jetzt in diesem Moment gehört sie ihm. Er hat sie sehen müssen. Schon den ganzen Tag hat ihn die Erinnerung an sie nicht losgelassen. Ihre Haut, ihre Stimme, die vor Lust aufstöhnt. Sie, die unter ihm liegt, sie um seinen harten Schwanz. Das alles hat ihn nicht eine Sekunde losgelassen. Es hat lange gedauert, bis er sie gefunden hat. Und noch länger, bis er ein Portal zu ihr erschaffen konnte. Es ist eigentlich nur der Funke eines Gedankens gewesen, aber er hat gereicht. Im Schatten hat Cael ihr beim Tanzen zugesehen und sie sofort wieder gewollt. In einer Heftigkeit, die ihn erschreckt hat. Ila ist so schön gewesen, wie sie sich selbst hat gehen lassen. So soll sie sein, wenn sie mit ihm zusammen ist. Genauso gelöst, genauso sehr bei sich. Seine Lippen wandern über ihr Kinn zu ihrem Hals. Er beißt sie dort und leckt dann mit der Zunge darüber. Wieder keucht Ila auf. Sie klammert sich mit aller Kraft an diesen Felsen von Mann und kann an nichts anderes mehr denken als daran, dass sie ihn in sich spüren will. Cael fängt ihre Sehnsucht auf, die ihr Geist völlig unbewusst aussendet. Er lässt sich mit ihr auf den Boden sinken, legt sie rücklings auf den kalten Hallenboden und kniet sich zwischen ihre Beine. Er beugt sich über sie, sucht den Blickkontakt zu ihr. Erst als Ila ihn wirklich ansieht, entfernt er ihre und auch seine Kleidung mit nur einem einzigen Gedanken. Ilas Augen weiten sich vor Überraschung, doch dann berührt sie Caels muskulöse Brust. Seine Haut ist so warm und weicher, als sie erwartet hat. Sie lässt ihre Hände nach unten wandern, zu seinem Bauch. Cael fängt ihre Hände dort ab. Wenn sie weiter geht, wird er die Kontrolle vollends verlieren. Er fixiert ihre Handgelenke über ihrem Kopf. «Lass sie da!» befiehlt er ihr, bereit, Druck auf ihren Geist auszuüben, sollte sie nicht gehorchen. Ila windet sich, die Sehnsucht nach ihm wird noch grösser. Doch sie lässt ihre Hände dort. Cael berührt sie nicht. Lässt nur seinen Blick über ihren nackten Körper gleiten. Ila ist sehr zierlich. Sie hat eine schmale Taille und ebensolche Hüften. Sein Blick bleibt an ihren Brüsten hängen, die Brustwarzen erwachen unter seinem Blick. Er beugt sich über eine ihrer Brüste und nimmt sie in den Mund, umspielt sie mit seiner Zunge, saugt an ihr. Erregt keucht Ila auf. Oh, er liebt die Geräusche, die sie macht, wenn die Lust sie überflutet. Seine Hand wandert über ihren flachen Bauch zu ihrer Scham, wo er mit den Fingern über ihre Grotte streicht. Voller Begierde wölbt sie sich ihm entgegen. Sie will ihn, sie braucht ihn. Es gibt keine Möglichkeit, dies zu leugnen. Auch wenn ihr Verstand weiß, dass er ein Feind ist und dass es nicht sein darf. Mit zwei Fingern dringt er in sie. Sofort fassen ihre inneren Muskeln zu. «Du bist so nass und so eng», stöhnt er leise. In einem quälend langsamen Rhythmus bewegt er seine Finger in ihr. Ila beginnt zu wimmern und glaubt, wahnsinnig zu werden. Erneut wölbt sie sich ihm entgegen, empfängt mit ihren Hüften seine Stöße. Ila so vollkommen hemmungslos unter sich liegen zu sehen, lässt seine Erregung ins Unermessliche wachsen. Er will sie haben, jetzt und immer. Als er seine Finger aus ihr herauszieht, bringt ihm das ihren keuchenden Protest ein. Sofort packt er ihre Hüften und dringt mit nur einer einzigen fließenden Bewegung in sie ein. «Ja!», stöhnt er laut auf, als er ihre feuchte Enge um sich spürt. Er kann sich nicht mehr zurückhalten und stößt heftig und schnell immer wieder zu. Alles um ihn herum versinkt in blutroter, dunkler Begierde. Und Ila steht ihm in nichts nach. «Ja, gib dich hin. Gib dich mir hin», keucht er. Ihre inneren Muskeln vibrieren, sie fühlt, wie nah sie der Erlösung bereits ist. Sein Daumen findet ihre Klitoris. «Meinen Namen», flüstert er in ihrem Geist, als er sie mit dem zusätzlichen Druck auf ihr Lustzentrum noch näher an die Klippe bringt. Selbst wenn sie es gewollt hätte, sie hätte es ihm nicht verwehren können. «Cael!» schreit sie ihren Höhepunkt heraus. Beim Klang seines Namens aus ihrem Mund in ihrer höchsten Ekstase, kommt auch Cael. Heftig und hart. Er begräbt ihren Körper unter seinem, stützt sich aber sofort wieder auf seine Ellenbogen, um ihr nicht weh zu tun. Schwer atmend sehen sich beide in die Augen und kommen langsam wieder in die Realität zurück. Ila versucht, sich unter ihm hervorzuwinden. Was Cael verhindert. Angstvoll blickt sie zu ihm auf und wird sich der Tragweite ihres Handelns bewusst. Sie hat es wieder getan. Sie hat sich auf Cael Vadorra eingelassen. Und diesmal hat nicht nur ihr Körper auf ihn reagiert, sondern sie. Sie, die Hexe Ilarja Delay. Sie hat Cael in ihren Geist gelassen und in ihre Seele. Scham steigt in ihr auf und sie wendet ihr Gesicht von ihm ab, um ihre aufsteigenden Tränen vor ihm zu verbergen. Mit zwei Fingern an ihrem Kinn bringt er sie dazu, ihn wieder anzusehen. «Du hast es begriffen, kleine Ila, du gehörst mir. Und du kannst nichts dagegen tun», raunt er ihr zu. Ila beginnt heftig zu zittern. Sie weiß selbst nicht, ob vor Kälte oder vor Angst. Cael lässt zu, dass sie ihren Körper in ihre Kleidung hüllt und tut dasselbe bei sich. Noch immer liegt sie zitternd unter ihm. Er will sie nicht gehen lassen. Nie mehr. Genau das fühlt Ila. Er könnte sie tatsächlich einfach mitnehmen und bei sich behalten. Ila könnte es nicht verhindern. Zum einen, wegen dieser absolut wahnwitzigen Verbindung, zum anderen, weil er um so vieles mächtiger ist als sie. Doch wenn er das tut, nimmt Cael ihr alles, wofür sie in den letzten Monaten so hart gekämpft hat. Ihre Unabhängigkeit und ihre Würde. Zudem würde es den schwelenden Krieg zwischen Black Wolves und Dark Crow weiter anheizen. Und das Letzte, was Ila ertragen könnte, wäre die Gewissheit, dass durch sie noch mehr Hass gesät wird. «Bitte!» fleht sie, öffnet ihm ihren Geist und lässt ihn sehen, was sie fürchtet. Es ist der Schmerz, den er sieht, der Cael zur Vernunft kommen lässt. «Erlaube mir, dich nach Hause zu bringen!» fordert er knurrend. Erleichtert, dass er sie wird gehen lassen, atmet Ila auf. Sie öffnet das Portal für sie beide. Er erhebt sich, sie in seinen Armen und lässt sich mit ihr hineinfallen.
Sie landen in der Küche. Mit beiden Händen fasst Cael in ihre Haare, genießt das seidige Gefühl. «Du solltest sie immer offen tragen», schlägt er vor. «Unpraktisch. Und zu viel Reiz», erwidert Ila. Ihre Worte offenbaren ihm, wie groß ihre Empathie ist. Obwohl ihm das schon bei ihrer ersten Begegnung klar war.
Sanft streicht er über ihre Wange, was sie erschauern lässt. Die Erregung erfasst sie schon wieder. Diese Feststellung treibt ihr die Schamesröte ins Gesicht. Das darf nicht sein! Es muss aufhören. Cael nimmt ihr Gesicht in beide Hände und blickt sie finster an. «Ich lasse dich gehen, Ila. Aber das ändert nichts. Du gehörst mir. Hör auf, dagegen anzukämpfen, und akzeptier es!» Er senkt seine Lippen auf ihre und küsst sie. Mit der ihm eigenen Intensität und Begierde. «Versuch nicht, mir zu entkommen, es wird dir niemals gelingen.» Mit diesen Worten verschwindet Cael. Eine Spur von ihm bleibt jedoch in ihrem Geist hängen. Instinktiv will Ila sich dagegen wehren und das Fremde aus ihrem Geist verjagen. Unsäglicher Schmerz durchfährt sie. «Ich habe gesagt, du sollst es lassen!», hört sie ihn in ihrem Kopf. Ilas Beine lassen unter ihr nach, als sie erkennt, dass er nicht vorhat, ihren Geist jemals wieder loszulassen. Völlig verängstigt kauert sie sich in der Küche in eine Ecke. Es ist Ila schleierhaft, wie er diese Verbindung zustande gebracht hat. Und sie hat auch absolut keine Ahnung, wie weit sie geht. Kann er mehr, als mit ihr kommunizieren? «Ich werde wissen, wenn du an mich denkst, dich nach mir sehnst. Ich werde dich immer finden und immer zu dir kommen können, wenn ich es will», bestätigt er ihre Befürchtungen. Ila geht nicht davon aus, dass sie dasselbe bei ihm kann. «Du kannst nach mir rufen, ich werde dich hören», beantwortet er auch diese nicht gestellte Frage. «Warum nimmst du mir meine Freiheit?», flüstert sie verzweifelt. «Wenn ich dir die Freiheit genommen hätte, würdest du jetzt in meinem Bett stöhnend unter mir liegen», eröffnet er ihr. «Ich bin ein besitzergreifender mächtiger Magier, Ila. Und du bist Mein. Das weißt du genauso wie ich. Ich habe dich gehen lassen, das ist mehr als du erwarten kannst. Aber wenn ich nicht weiß, was du fühlst, wo du bist und ich nicht jederzeit zu dir gelangen kann, macht mich das wahnsinnig. Und das ist gefährlich. Gefährlicher, als du es dir vorstellen kannst», erklärt er ihr schlicht. Erschöpft schließt Ila die Augen. Wie hat das alles nur passieren können? Innerhalb von zwei Tagen ist ihr Leben nicht mehr, wie es mal war. Schon wieder in so kurzer Zeit. Ein sanftes Streicheln über ihr Gesicht, reißt sie aus ihren Gedanken. «Geh ins Bett!» Obwohl seine Stimme fürsorglich ist, will sie ihm nicht gehorchen. Cael hat ihr gerade fast alles genommen, was ihr wichtig ist. Wenn sie jetzt in dieser Ecke frieren will, am besten erfrieren, soll er sie wenigstens das lassen. «Ila, geh ins Bett! Oder ich hole dich in meins», droht er. Wenn er das tun will, kann er das. Der geschaffenen Bindung steht sie hilflos gegenüber. Es kostet Ila unsäglich viel Kraft, aufzustehen und sich in ihr Bett zu legen. Erschöpft schließt sie die Augen, ohne zu bemerken, dass Cael im Schatten des Schlafzimmers steht. Eine Weile blickt er auf die Hexe herab, die gerade im Begriff ist einzuschlafen. Ihre zierliche Gestalt, das feingeschnittene Gesicht, ihre wundervollen Lippen, das üppige schwarze Haar, sind nur schemenhaft zu erkennen. Dann streicht er ihr sanft einige Haare aus dem Gesicht. «Ila Delay, du bist die Meine, jetzt und immer», flüstert er ihr ins Ohr und küsst sie auf die Schläfe. Und obwohl es ihm alles abverlangt, sie nicht doch noch mitzunehmen, verlässt er das Haus. Im Halbschlaf seufzt Ila. Kann es sein, dass Cael sie erst jetzt verlassen hat? Noch bevor sie die Frage beantworten kann, ist sie endgültig eingeschlafen.
Die einen haben den Feind in ihrem Bett. Sie hat ihn in ihrem Kopf. Mit diesem Gedanken schwingt Ila am späten Nachmittag die Füße aus ihrem Bett. Wieder hat sie tief geschlafen. Und wenn Cael nicht wäre, was er nun mal ist, würde Ila diese Entwicklung durchaus positiv werten. Seufzend muss sie sich ebenfalls eingestehen: Sie hat den Feind nicht nur im Kopf, sie hat ihn auch in ihr Bett gelassen. Obwohl, im Bett waren sie bisher noch nie. «Das lässt sich leicht ändern.» Ila zuckt zusammen «Verdammt, kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen!», schimpft sie vor sich hin. «Du kennst die Antwort», sagt er nur. Der Feind in ihrem Kopf. «Bekomme ich wenigstens eine Auszeit. Ich muss heute noch arbeiten», bittet sie und hält den Atem an. «Dann hör einfach auf, an mich zu denken. Und Ila – ich bin nicht dein Feind, sondern der deines Bruders», stellt er richtig. Als ob das einen Unterschied machen würde. Als Heilerin gilt Ila zwar als neutral, dennoch ist sie ein Mitglied der Dark Crow. Selbst wenn sie das vielleicht anders sehen könnte, ihr Bruder niemals. Und wie zum Teufel, soll sie nicht an Cael denken? Innerhalb weniger Tage hat dieser Magier ihr ganzes Leben durcheinandergebracht. Er hat sie verführt, und das mehr als einmal. Nicht, dass sie es nicht zugelassen hätte. Zumindest letzte Nacht hat sie ihr Zusammentreffen sehr genossen. Schon der Gedanke daran sorgt dafür, dass Ila sich schwindelig fühlt. Außerdem ist da dieses wohlige Kribbeln in ihrem Bauch, wenn sie an Caels Berührungen und seine Küsse denkt. Ila atmet tief durch und ruft sich selbst zur Ordnung. Wenn sie sich nicht noch mehr an ihn verlieren will, muss sie sich jetzt zusammenreißen. Sie setzt Wasser auf, schneidet Ingwer in Scheiben und startet ihren Laptop. Mit ihrem Ingwertee, dem sie noch eine ausreichende Menge Maiglöckchenwein hinzugefügt hat, tritt sie hinaus auf die Terrasse. Die Sonne verschwindet bereits hinter dem Horizont. Die Welt wird in ein weiches, orangeleuchtendes Licht getaucht. Tief atmet Ila die kalte, frische Luft ein. Sie stürzt den Tee herunter und kehrt zitternd in ihre Wohnung zurück. Dort hüllt sie sich in ihre geliebte Strickjacke und setzt sich mit einem großen Glas Wasser vor ihren Laptop. Mit «arbeiten» hat Ila nicht das Blue Moon gemeint. Obwohl sie dort heute auch noch Schicht hat. Seit ungefähr einem Jahr widmet sich Ila ihrer Passion, dem Gesang. Unter dem Pseudonym Lady Blue hat sich Ila einen Namen als Backgroundsängerin gemacht. Allerdings nur bei Aufnahmen, ein Live - Auftritt wäre ein Ding der Unmöglichkeit. Nicht nur, weil Ila fürchtet, dem durch ihre hohe Empathie nicht gewachsen zu sein. Sondern vor allem, weil sie ihre wahre Identität bisher geheim gehalten hat. Niemand außer Fay und Ste, der Produzent, mit dem sie immer arbeitet, weiß, wer Lady Blue wirklich ist. Ila ist es wichtig, nicht erkannt zu werden. Wenn es um Musik geht, will sie nicht die kleine Schwester des Alphas sein. Die Musik soll nichts mit den Kämpfen zu tun haben. Dass Cael Vandorra ausserdem ein höchst erfolgreicher Produzent ist, stellt für Ila einen weiteren Grund dar, unerkannt zu bleiben.
Ila öffnet ihre Mail. Ste hat ihr mehrere Angebote geschickt, die Ila gewissenhaft prüft. Sie beantwortet die Anfragen und druckt mehrere Texte und Noten aus. Ila benötigt keine Instrumente, um zu wissen, wie die Songs klingen. Ein Blick auf die Noten genügt und Ila hört die Musik in ihrem Kopf. Immer wenn sie sich mit Musik beschäftigt, wird sie selbst ganz ruhig. In ihrem sonst so aufgewühlten Geist herrscht absolute Stille. Darum vergisst sie auch regelmäßig die Zeit. Nur mit Mühe, reißt sich Ila Stunden später von ihrer Leidenschaft los und macht sich auf ins Blue Moon. Eigentlich freut sie sich darauf. Ila arbeitet mit wunderbaren Menschen zusammen. Die Aufgabe, die sie dort hat, macht ihr Spaß. Es ist diese Mischung zwischen Menschenkontakt, ohne zu viel Nähe haben zu müssen, und der Konzentration, die nötig ist, welche Ila so sehr gefällt. Sobald sie die Tür der Bar öffnet, betritt sie eine andere Welt. Und auch wenn hier die Affäre mit Cael ihren Anfang genommen hat, ist das trotzdem immer noch die ihre. Dankbar lässt Ila sich auch an diesem Abend in die Routine fallen.
Die Arbeit im Blue Moon gib ihr auch in den nächsten Tagen Halt. So sehr sie die Begegnung mit Cael und seine ständige Präsenz in ihrem Geist auch irritiert, die Routine an der Bar beruhigt sie. Ihre Kolleginnen und Kollegen tragen ebenfalls dazu bei, dass Ila sich stabilisiert.
©by Patricia Tschannen, 2024
Kommentar schreiben