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Eine Kunst

Eine Kunst

Dass Pflege eine Kunst ist, das wissen wir. Und genauso wie die Kunst ist sie schwer fassbar, schwer messbar. Was uns auf politischer Ebene sehr viel Probleme bereitet. Denn in viel zu vielen Köpfen ist nicht messbar synonym mit nicht vorhanden, nicht nötig, muss nicht bezahlt werden. Gerade in der Begleitung des Überganges von Leben und Tod, ist nicht nur die Kunst der Pflege sichtbar, es ist so vieles nicht messbar. Die Kunst der Sterbebegleitung, beinhaltet ein breites Wissen des Symptommanagements. Dies sind unsere Instrumente den Weg zu erleichtern können. Das richtige Instrument zum richtigen Zeitpunkt einsetzen, ist ebenso eine Kunst, wie auszuhalten, wenn eben nichts hilft und vielleicht nur lindert. Aushalten. Da sein. Das nach Luft ringen, den Schmerz, die Übelkeit mit aushalten. Das Leid anerkennen. Das zählt zu den Dingen, die nicht gemessen werden können. Ebenso wie die stille Präsenz, das Halten der Hand, während trotz Schmerzen im Bett umpositioniert wird. Das Drücken der Hand, das leise und manchmal laute Versichern: «Alles ist gut. Sie können gehen.»

 

Das Begleiten der Angehörigen in ihren schlimmsten Stunden. Das Zeigen, dass sie nicht alleine sind, dass der Mensch, der gerade stirbt, wichtig ist. Dass es mich als Pflegende interessiert, wer da liegt, wie dieser Mensch war, und was ihm wichtig ist. Das Wahren der Würde bis zum Schluss und darüber hinaus, indem die Intimsphäre weiter gewahrt wird. Alles das haben wir gelernt, alles das ist Pflege und die hohe Kunst der Sterbebegleitung. Und alles das ist nicht messbar, taucht in keiner Rechnung auf. Kann weder in Zeit noch in Geld abgegolten werden. Sollen wir es deshalb sein lassen? Ja, wir würden viel Zeit einsparen, wenn wir keine Hände mehr halten, die Intimsphäre nicht mehr hüten, nicht mehr fragen, wer da in diesem Bett liegt und stirbt, wenn wir einfach mit den Schultern zucken und das Zimmer verlassen, weil wir ja sowieso nichts mehr tun können. Wir würden Zeit gewinnen. Aber so viel verlieren: Unsere eigene Menschlichkeit, unsere Passion und auch unsere Würde. Das geschieht, wenn wir aufhören Pflege als Kunst zu praktizieren. Und darum wird Pflege nie allumfassend messbar und erklärbar sein. Die Frage ist, muss sie das? Kunst muss es doch auch nicht und dennoch ist sie wertvoll und wird bezahlt. 

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Kommentare: 4
  • #1

    Markus (Dienstag, 11 April 2023 21:54)

    Liebe Patricia
    ... vermutlich einer der besten und am meisten zutreffenden Texte, die zum Thema Pflege je verfasst wurden.

  • #2

    Katharina (Dienstag, 11 April 2023 22:36)

    Danke.

  • #3

    Johanna (Mittwoch, 12 April 2023 09:48)

    Liebe Patricia
    Du bringst die Definition Pflege in präzisen Worten auf den Punkt!
    Hoffen wir fest, dass endlich auch die Politik einzusehen beginnt, dass der Grossteil der Arbeiten in unserem wunderbaren Beruf nicht messbar sind!
    Danke!!

  • #4

    Gabriela (Dienstag, 18 April 2023 23:07)

    Und wie uns Kunst erst wertvoll wird, wenn sie ins berührt so ist es mit guter Pflege. Wir spüren oder erfahren sie, sie berührt emotional. Danke für diesen Text